Bundesamt für Privatversicherungen BPV

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Marktkonzentration in der Versicherungswirtschaft

Autoren
Arthur Vogt,
CH-3400 Burgdorf, Dr. Math. ETH
Peter Heinz Bader,
BPV, Dipl. Math. ETH

Hat in der Schweizer Versicherungswirtschaft eine Konzentration stattgefunden? Die vorliegende Studie zeigt, dass die absolute Konzentration der Lebensversicherer in den letzten Jahrzehnten im Wesentlichen gleich geblieben ist, obwohl deren Anzahl zugenommen hat. Dies erklärt sich durch die gleichzeitige Zunahme der relativen Konzentration. Die Konzentration der Schadenversicherer hat von 1980 bis 1995 absolut zugenommen und seither abgenommen, während sie relativ bis 1995 gleich blieb und seither abnahm.

Was ist Konzentration und wie wird sie gemessen?

Wenn die Anzahl der Versicherungseinrichtungen zurückgeht, spricht man gemeinhin von zunehmender Konzentration. Wir verwenden hier ein subtileres Mass, um die Konzentration zu messen und nennen es Anzahl-Äquivalent. Ein Beispiel macht deutlich, was gemeint ist: Wir gehen aus von 6 Versicherungseinrichtungen mit je 500 Millionen Einheiten Prämien. In einem ersten Szenario nehmen wir an, dass eine verschwindet und sich ihre Prämien gleichmässig auf die restlichen 5 verteilen, sie also nach dem Konzentrationsprozess je 600 haben. In einem weiteren Szenario nehmen wir an, dass die 6. Einrichtung nicht ganz verschwindet, es verbleibt ihr eine Einheit. Nach der Anzahl beurteilt, hat keine Konzentration stattgefunden: vorher und nachher beträgt sie 6. Doch intuitiv ist klar, dass mit dem Übergang auch im 2. Szenario eine Konzentration stattfindet:

1. Szenario (500, 500, 500, 500, 500, 500)
-> (600, 600, 600, 600, 600)
2. Szenario (500, 500, 500, 500, 500, 500)
-> (600, 600, 600, 600, 599, 1)

Diese intuitive Vorstellung wird mit dem hier verwendeten Anzahl-Äquivalent, dem reziproken Mass von Herfindahl, präzis, objektiv und theoretisch fundiert umgesetzt. Es beträgt in unserem fiktiven Beispiel in der Ausgangslage 6, im 1. Szenario nachher 5 und im 2. Szenario nur wenig mehr als 5, exakt 5.003. Das ist plausibel, denn die Endpositionen der beiden Szenarien unterscheiden sich ja kaum.

Messung der (Un)gleichheit

Eng mit der Konzentrationsmessung ist die Messung der (Un)gleichheit verbunden. Wenn wir zum Beispiel die Anzahl-Äquivalente der Pensionskassen mit denen der Lebensversicherer vergleichen, stellen wir fest, dass diejenigen der Pensionskassen zirka zehnmal so gross sind wie diejenigen der Lebensversicherer (Vogt 1995). Dieses Verhältnis drückt aus, dass die absolute Konzentration der Lebensversicherer zehnmal so gross ist wie diejenige der Pensionskassen. Das ist plausibel, es gibt ja viel weniger Lebensversicherer als Pensionskassen, die finanzielle Masse konzentriert sich bei ihnen auf weniger Träger. Tatsächlich beträgt die Anzahl Lebensversicherer nur rund 1/400 der Anzahl Pensionskassen. Bei gleichen Verhältnissen müsste also das Anzahl-Äquivalent der Pensionskassen nicht 10-, sondern 400-mal so gross sein wie dasjenige der Lebensversicherer.

In diesem Zusammenhang wird das Konzept "gleiche Verhältnisse" durch den Begriff relative Konzentration, auch (Un)gleichheit genannt, umschrieben. In etwa lässt sich sagen: Die absolute Konzentration ist in einem grossen Land kleiner, da es mehr Träger hat und sich die Last damit besser verteilt. Die relative Konzentration ist unabhängig von der Anzahl Träger, sie drückt die Gleichmässigkeit der Verteilung aus und ist damit in grossen und kleinen Ländern grundsätzlich gleich. Es sei noch erwähnt, dass das hier verwendete Mass für absolute Konzentration, das Anzahl-Äquivalent, bei grosser Konzentration klein ist und umgekehrt. Das entspricht der intuitiven Vorstellung, dass die Konzentration zunimmt, wenn die Anzahl Träger abnimmt. Und unser Gleichheitsmass nimmt zu, wenn die relative Konzentration abnimmt und umgekehrt.

Die relative Konzentration ist bei den Pensionskassen wesentlich grösser. Um "gleich wenig ungleich" verteilt zu sein wie die Lebensversicherer, müsste das Anzahl-Äquivalent der Pensionskassen 400-mal so gross sein wie dasjenige der Lebensversicherer und nicht nur 10-mal so gross. Der Vergleich der Lebens- und der Schadenversicherer für 1992 zeigt, dass erstere ungleicher verteilt sind als letztere. Dieses Phänomen erstreckt sich über die ganze Untersuchungsperiode. Die Gleichheit der Lebensversicherer nimmt jedoch ab und diejenige der Schadenversicherer, ab 1996, zu, sodass sich der Unterschied verkleinert.

Masszahlen für das Jahr 1992
Anzahl
Anzahl-Äquivalent AE
Gleichheitsmass Q
Lebensversicherer
32
8.1
0.255
Schadenversicherer
86
10.1
0.140
Alle Pensionskassen
13'450
82.1
0.006

Allgemein erhalten wir bei n Trägern aus einem Anzahl-Äquivalent AE das entsprechende Gleichheitsmass Q
(Vogt und Barta 1997: 181)
 
AE
Q =
----
 
n

Der Begriff der (Un)gleichheit ist in der einschlägigen Literatur gebräuchlicher als derjenige der Konzentration. Bei maximaler Ungleichheit beträgt das Ungleichheitsmass 1 (genauer: 1-1/n), bei minimaler Ungleichheit (Gleichverteilung) 0. Wir werden das Gleichheitsmass verwenden, damit sich obige einfache Formel ergibt. Es ist gleich 1 minus dem Ungleichheitsmass. Entsprechend beträgt das Gleichheitsmass bei maximaler Ungleichheit 1/n und bei minimaler Ungleichheit (Gleichverteilung) 1. Die entsprechenden Konzentrationsmasse (gemessen in Anzahl-Äquivalenten) betragen 1 und n. Denn bei maximaler Konzentration fällt die ganze Masse auf einen Träger und auf mehr als die vorhandenen Träger kann sie nicht fallen.

Verteilungsart
 
 
Ungleichheits-mass 1-Q
Gleichheits-mass Q
K
AE
Gleichverteilung
Minimale Ungleichheit
Maximale Gleichheit
0
1
1/n
n
Maximal konzentriert
Maximale Ungleichheit
Minimale Gleichheit
1-1/n
1/n
1
 

Konzentration und (Un)gleichheit werden immer bezüglich einer Grösse gemessen. Wir verwenden hier gleich drei: Prämien, Leistungen und Deckungskapital (bei Schadenversicherern versicherungstechnische Rückstellungen einschliesslich Schwankungsrückstellungen). Die Grössenordnung der drei Resultate unterscheidet sich nicht sehr. Daher werden in der Tabelle nur die Masse bezüglich der Prämien angegeben. Doch bei der Betrachtung der Entwicklung ergeben sich interessante Unterschiede, wie sie aus den Grafiken hervorgehen: Grafiken 1-2 für die Lebensversicherung und Grafiken 3-4 für die Schadenversicherung. Weiter ist entscheidend, was als Einheit betrachtet wird. Versicherungseinrichtungen unter einem gemeinsamen Holdingdach werden hier als separate Einheiten betrachtet. Die Rechnung könnte alternativ, unter Berücksichtigung der Holdingstruktur, vorgenommen werden. Beide Versionen sind "richtig". Wie etwa die Ungleichheit der privaten Einkommen pro Person oder pro Haushalt berechnet werden kann.

Retrospektive zur Lebensversicherung

Die Zeit von 1965 bis 1975 war gekennzeichnet durch ein überproportionales Marktwachstum der grossen Vier (Rentenanstalt, Winterthur Leben, Vita - die spätere Zürich Leben - und Basler Leben) gegenüber den kleineren Konkurrenten. Insbesondere tat sich dabei die Winterthur Leben hervor, welche die alteingesessenen Basler Leben und Patria überholte und sich hinter der Rentenanstalt als zweitgrösster Marktplayer etablierte.

Von 1985 bis 1990 hat die Marktkonzentration abgenommen. Zurückzuführen war dies auf das unterproportionale Marktwachstum der meisten marktmächtigen Akteure mit Ausnahme der beiden Marktleader (Rentenanstalt und Winterthur Leben) sowie auf das Auftauchen von vier neuen Lebensversicherern, welche vom BPV in diesen Jahren die Betriebsbewilligung erhielten.

Zwischen 1996 und 1998 boomte das Lebengeschäft, insbesondere das Einmaleinlagengeschäft. Nicht zuletzt deshalb, weil im Frühling 1998 die Stempelsteuer eingeführt werden sollte. Dieser Boom erhöhte die Marktkonzentration beträchtlich, wuchsen doch vor allem wiederum die genannten grossen Vier sowie die Aufsteiger UBS Swiss Life, Vaudoise Vie und Providentia. Zudem wurde 1998 die CS Life mittels Fusion durch die Winterthur übernommen. Das Wachstum des Lebengeschäfts, vor allem bei jungen Lebensversicherern wie der CS Life, schlägt stärker auf die Prämien und
weniger auf die Leistungen durch. Denn die Leistungen im langfristigen Lebengeschäft fallen naturgemäss zum Grossteil erst zehn Jahre nach Vertragsabschluss und später an. Dies ist der Grund, warum das Anzahl-Äquivalent bezüglich der Prämien stärker abnahm. Hinzu kam mit der sich verstärkenden Globalisierung eine Fusionswelle, die seit 1996 bis zum heutigen Tag 10 Lebensversicherer zum Verschwinden brachte. Zudem wurden 3 weitere unter ein gemeinsames Holdingdach mit einem grösseren Konkurrenten gebracht. Der Fusionswelle standen im gleichen Zeitraum bloss 4 Neubewilligungen gegenüber, sodass sich die Anzahl Lebensversicherer von 32 im Jahre 1996 auf 29 per Ende 2001 und 26 per Mai 2002 verringerte. Die Grafiken zeigen, dass die Anzahl-Äquivalente und damit die Konzentration im Grossen gleich geblieben sind, dass aber die Gleichheit abgenommen hat (Ungleichheit hat zugenommen).

Retrospektive zur Schadenversicherung

Die Grafiken zeigen für die Schadenversicherung ein ruhigeres Bild als für die Lebensversicherung. Die Anzahl-Äquivalente bezüglich Prämien und Leistungen haben im Zeitraum von 1980 bis 1995 leicht abgenommen und sind seither wieder in leichter Steigung begriffen. Der Grund für das Ansteigen liegt vor allem in einer erhöhten Anzahl Neubewilligungen pro Jahr: In der Zeit von 1980 bis 1985 stieg die Anzahl Bewilligungserteilungen deutlich an, vermutlich als Auswirkung der in der EU erfolgten Liberalisierung der Versicherungsmärkte.

Einzig zwischen 1995 und 1996 traten wesentliche Sprünge auf. Erstaunlicherweise nahm das Anzahl-Äquivalent bezüglich der Rückstellungen 1996 wesentlich markanter zu als die Anzahl-Äquivalente bezüglich Prämien und Leistungen. Zum Teil erklären sich die Sprünge durch das neue Berichterstattungssystem. So wurde vor 1995 das Auslandgeschäft mit eingeschlossen, nachher nicht mehr. In diesem Jahr (und dem nächsten) nahm die Anzahl Schadenversicherer zu. Diese zwei Faktoren wirkten sich doppelt auf die Zunahme der Gleichheit aus.

Jahr
Lebensversicherung
Schadenversicherung
 
Anzahl
AE
Q
Anzahl
AE
Q
1960
19
6.59
0.350
99
10.55
0.1065
1965
21
6.68
0.318
96
11.27
0.1174
1970
21
6.04
0.287
95
11.03
0.1161
1975
21
5.91
0.281
96
10.29
0.1072
1980
22
6.52
0.296
90
9.89
0.1098
1985
22
6.48
0.294
86
9.52
0.1107
1990
26
7.09
0.273
88
9.26
0.1103
1991
29
7.16
0.247
86
9.46
0.1103
1992
29
7.43
0.256
86
8.93
0.1038
1993
30
7.58
0.253
87
8.93
0.1027
1994
30
7.54
0.251
84
8.98
0.1070
1995
30
7.92
0.264
88
8.98
0.1021
1996
32
8.15
0.255
72
10.11
0.1404
1997
32
6.75
0.211
64
9.86
0.1540
1998
31
6.52
0.210
64
9.83
0.1536
1999
32
6.30
0.197
68
10.72
0.1577
2000
30
6.50
0.217
64
11.78
0.1840

Anzahl-Äquivalent AE und Gleichheitsmass Q der Lebensversicherungs-Einrichtungen und Schadenversicherungs-Einrichtungen bezüglich der Prämien

Literatur

Vogt (1995): Die Entwicklung von Konzentration und Ungleichheit bei den schweizerischen Pensionskassen zwischen 1987 und 1992, Mitteilungsblatt für Konjunkturfragen
Vogt und Barta (1997): The Making of Tests for Index Numbers, Physica-Verlag, Heidelberg
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