Bundesamt für Privatversicherungen BPV

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Wann ist die Diskontierung von Rückstellungen erlaubt

Helga Portmann,
Ressort Versicherungsprodukte

Leben als Vorbild für Schaden?

Die Versicherer nehmen Prämien ein, um die versicherten Schäden zu decken. Meistens liegt jedoch eine mehr oder weniger grosse Zeitspanne zwischen den Prämieneinnahmen und der Schadensdeckung. Die Gründe dafür sind vielfältig: So kann einige Zeit vergehen, bis ein Schaden gemeldet wird oder bis das Ausmass bekannt ist, oder aber, es dauert eine gewisse Zeit, bis der Schaden vollständig gedeckt ist, zum Beispiel bei Heilungskosten in der Unfallversicherung. Diese zeitlichen Verschiebungen zwischen Geldeinnahmen und -ausgaben können mehrere Jahre betragen. Ein Teil der Prämien wird darum zurückgestellt. Bis zur Bezahlung des Schadens lassen sich mit den Rückstellungen Erträge aus Kapitalanlagen erwirtschaften. Die Rückstellungen könnten nun im Umfang dieser Kapitalerträge verringert werden, indem man sie auf das Jahr der Prämieneinnahmen abzinst (zurückdiskontiert).

In der Lebensversicherung wird dieses Vorgehen angewandt, indem für die Berechnung des Prämienbedarfs die Zahlungsströme mit einem technischen Zins und unter Berücksichtigung der Ausscheidewahrscheinlichkeiten (Tod, Invalidität, Rückkauf) abdiskontiert werden. Ob dies auch bei den Schadenrückstellungen eingeführt werden soll, darüber streiten sich die Experten.

EU verbietet verdeckte Diskontierung

In den EU-Richtlinien ist die verdeckte Diskontierung verboten. Die Mitgliedstaaten können offen gelegte Diskontabschläge unter Einhaltung gewisser Voraussetzungen zulassen (EU-Richtlinien 97/674/CEE Artikel 60):
  • Die durchschnittliche Abwicklungsdauer muss mindestens vier Jahre betragen.
  • Der Abzinsungssatz muss sehr vorsichtig gewählt sein.
  • Jede Methodenänderung muss der Aufsichtsbehörde vorher mitgeteilt werden.
  • Alle Faktoren, die eine Verteuerung zur Folge haben könnten, müssen berücksichtigt werden.
  • Die Versicherungsunternehmung muss über ausreichende Angaben verfügen, um ein vertrauenswürdiges Modell der Abwicklungsgeschwindigkeit zu entwickeln.
  • Der Umfang der Diskontierung ist im Anhang zur Jahresrechnung offen zu legen.

IASC für Gegenwartswert

Das International Accounting Standards Committee (IASC) setzt weltweit anerkannte Standards in Fragen der Rechnungslegung und ist mehrheitlich der Ansicht, dass Gegenwartswerte zu verwenden sind, da Verpflichtungen mit unterschiedlicher Fälligkeit verschieden zu bewerten sind. Die Diskontrate sollte risikofrei sein (Sub-issue 7i). Das Komitee lässt sich dabei von folgenden Gedanken leiten:
  • Nur durch "present value" lassen sich Ausgaben und Einnahmen sauber abschätzen.
  • Die Werte sollen nicht nur in der Höhe, sondern auch in der Zeit abgeschätzt werden.
  • Der Rückversicherer soll nicht von der Nicht-Diskontierung des Erstversicherers profitieren können.
  • Die Versicherungsunternehmungen können bei einer Diskontierung besser verglichen werden.
  • Die Zulassung einer expliziten Diskontierung verhindert eine implizite.
Bedenken
In der Diskussion um die Diskontierung der Schadenrückstellungen wurden auch Bedenken geäussert:
  • Eine Abschätzung des Anfalldatums der Kosten ist sehr schwierig, deshalb sollte nicht mit der Diskontierung eine Scheingenauigkeit eingebaut werden.
  • Die Nicht-Diskontierung bewirkt eine Sicherheitsmarge.
  • Die Diskontierung hebt sich mit anderen Kosten wie der Teuerung auf.

USA erlaubt nur Ausnahmen

Sehr einschränkend sind die US Generally Accepted Accounting Principles (US-GAAP). Diese Richtlinien wurden unter dem Haupteinfluss der amerikanischen Börsenaufsicht, Securities and Exchange Commission (SEC), ausgearbeitet und sind für die Zulassung an die amerikanische Börse verbindlich. Eine Diskontierung der Schadenrückstellungen ist im Normalfall nicht erlaubt. Eine Ausnahme wird gestattet, falls die jeweilige staatliche Regulierungsbehörde die Diskontierung zulässt. Dies ist bei einigen Staaten für gewisse Versicherungszweige der Fall, wie etwa für die permanente Erwerbsausfallentschädigung, medizinische Berufsfehler, Unfall und langzeitige gesundheitliche Behinderungen. Der Satz muss jedoch von der Regulierungsbehörde genehmigt sein und veröffentlicht werden (FAS 60 §60d und SAB 62 bzw. SEC Art. 7).

In der Schweiz

Die Fachempfehlungen zur Rechnungslegung (FER), die für börsenkotierte Unternehmen in der Schweiz verbindlich sind, erlauben die Diskontierung im Schadengeschäft. Sie muss jedoch im Anhang offen gelegt werden. Schweizer Versicherer müssen die Rechnungslegung nicht nur dem Aktienrecht und eventuell dem Börsenrecht anpassen, sondern auch die Bestimmungen des BPV einhalten.

Rückversicherer

Rückversicherer mit Sitz in der Schweiz dürfen seit April 2001 für Portefeuilleübernahmen mit Risikotransfer von Erst- und Rückversicherern weltweit und für alle Branchen unter folgenden Bedingungen diskontieren:
  • Bei der Diskontierung sind alle lokalen und allgemein anerkannten Vorschriften und für die Konsolidierung die schweizerischen Vorschriften über die Rechnungslegung einzuhalten.
  • Die Rückstellungen sind regelmässig, mindestens halbjährlich, zu überprüfen und bei Bedarf etwa in Form von Nachreservierungen anzupassen. Dabei werden alle Faktoren wie etwa die Teuerung, die möglicherweise zu einer Erhöhung der Rückstellungen führen, berücksichtigt.
  • Der angesetzte Abzinsungssatz zum Einbezug der Anlagenerträge ist nicht höher als der vorsichtig geschätzte Satz der Rendite auf Anlagen, die den Gegenwert für Rückstellungen für die Erledigung der Schadenfälle während des Regulierungszeitraums darstellen.
  • Im Anhang zum Geschäftsbericht ist auf die Diskontierung von Schadenrückstellungen hinzuweisen.
  • Das BPV ist im Rahmen der jährlichen Berichterstattung eingehend über Art und Umfang der Diskontierung zu informieren.

Direktversicherer

Diese Praxis ist im Verlauf des Jahres 2001 auf alle dem BPV unterstellten Schadenversicherer ausgeweitet worden. Dabei ist überlegt worden, ob der Risikoausgleich weiterhin gewährleistet sei und ob der Mehraufwand bei der Reservierung und Überwachung der diskontierten Rückstellungen nicht gar die Einsparungen durch die Diskontierung übersteige. Die Diskontierung der Schadenrückstellungen ist nun unter folgenden Auflagen erlaubt:
  • Die zu diskontierende Branche muss eine Duration von mehr als vier Jahren aufweisen; das heisst, dass der prognostizierte zukünftige Gesamtzahlungsstrom für die bereits eingetretenen Schäden mindestens vier Jahre beträgt.
  • Die Direktversicherer müssen dem BPV einen Diskontierungsplan in Form einer genehmigungspflichtigen geschäftsplanmässigen Erklärung vorlegen. Darin enthalten ist die Beschreibung der Schätzmethode.
  • Bei der Diskontierung sind alle lokalen Vorschriften und für die Konsolidierung die schweizerischen Vorschriften über die Rechnungslegung einzuhalten.
  • Der Diskontsatz darf weder höher als die Durchschnittsrendite der Bundesobligationen der letzten fünf Jahre noch höher als deren letztjährige Rendite sein. Laufende Renten dürfen höchstens mit dem Zinssatz diskontiert werden, mit dem die Rente berechnet wurde.
  • Zur Berechnung der Gegenwartswerte sind neben der Diskontierung auch die Teuerung sowie weitere Faktoren zu berücksichtigen, die zu einer Erhöhung der Rückstellungen führen könnten. Auch dies ist Bestandteil des genehmigungspflichtigen Diskontierungsplans.
  • Die Rückstellungen sind regelmässig, mindestens jährlich, zu überprüfen und bei Bedarf in Form von Nachreservierungen anzupassen.
  • Die Versicherungsunternehmung bewirtschaftet die Schadendaten mit einer professionellen Datenbank.
  • Das BPV ist im Rahmen der jährlichen Berichterstattung eingehend über Art und Umfang der Diskontierung zu informieren.
  • Im Anhang zum Geschäftsbericht ist auf die Diskontierung von Schadenrückstellungen hinzuweisen.
Diese eingeschränkte Bewilligung kann vom BPV jederzeit abgeändert werden, falls neue rechtliche Vorschriften in Kraft treten, oder falls die internationalen Rechnungslegungsvorschriften in eine andere Richtung weisen.
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