Die Eidgenössische Finanzmarktaufsicht FINMA gibt heute ein Revisionspaket in Anhörung. Dieses umfasst eine Teilrevision der Versicherungsaufsichtsverordnung-FINMA (AVO-FINMA) sowie eine Reihe von FINMA-Rundschreiben. Die Revision ist nötig, um die vom Bundesrat am 1. Juli 2015 in Kraft gesetzte revidierte Aufsichtsverordnung (AVO) auf unterer Regulierungsstufe weiter auszuführen. Daneben informiert die FINMA, dass die 2012 gewährten temporären SST-Erleichterungen Ende 2015 auslaufen und nicht erneuert werden. Einige erleichternde Massnahmen überführt die FINMA in die permante Regulierung.
Der Bundesrat setzte am 1. Juli 2015 die revidierte Aufsichtsverordnung AVO in Kraft. Die Revision der AVO war ein wichtiger Baustein, damit die EU-Kommission das Versicherungsaufsichtssystem der Schweiz am 5. Juni 2015 als gleichwertig mit der in der EU massgeblichen Solvenz-II-Richtlinie anerkannte (siehe
Link). Mit dem Revisionspaket sollen die AVO-FINMA sowie die FINMA-Rundschreiben der revidierten AVO angepasst werden. In diesem Rahmen erlässt die FINMA auch zwei neue Rundschreiben. Die Anhörung des Revisionspakets dauert bis zum 19. August 2015. Die Inkraftsetzung der Rundschreiben ist für den 1. Januar 2016 geplant.
AVO-FINMA
Die revidierte AVO-FINMA gibt eine Mindestgliederung von Bilanz und Erfolgsrechnung sowie eine Darstellung der Geschäftstätigkeit in der Jahresrechnung vor. Dies trägt den Besonderheiten des Versicherungsgeschäftes besser Rechnung und fördert die Transparenz über die wirtschaftliche Lage der Versicherungsunternehmen.
Zwei neue Rundschreiben
Das Revisionspaket enthält zwei neue Rundschreiben. Diese leiten sich direkt aus der revidierten AVO ab und dienen dazu, die Gleichwertigkeit mit den EU-Bestimmungen zu ermöglichen:
- Das FINMA-Rundschreiben 2016/XX „ORSA“ zum Thema „Own Risk and Solvency Assessment“ (ORSA) liefert die Grundlagen, nach welchen sich Versicherungsunternehmen selbst beurteilen müssen. Sie sollen mit einer vorausschauenden Perspektive ein Gesamtbild des Versicherungsunternehmens erstellen. Dieses gibt Auskunft über die Risikosituation, die Angemessenheit des Kapitals und die Zusammenhänge zwischen Risiken und Kapital.
- Das FINMA-Rundschreiben 2016/XX „Offenlegung“ sieht die Offenlegung von vergleichbaren und relevanten Informationen gegenüber der Öffentlichkeit vor. Eine bessere Vergleichbarkeit und höhere Transparenz soll den Schutz der Versicherungsnehmer erhöhen.
Anpassungsbedarf bei bestehenden Rundschreiben und Gelegenheit zur Straffung
Die AVO-Revision bedingt auch Anpassungen bei bestehenden Rundschreiben. Die FINMA straffte und vereinfachte bei dieser Gelegenheit teilweise die Regulierung. Dies führte dazu, einige Rundschreiben zusammenzufassen.
- Das FINMA-Rundschreiben 2016/XX „Anlagerichtlinien Versicherer“ wurde im Umfang deutlich gekürzt und neu strukturiert. Das Rundschreiben erfährt mehrere inhaltliche Änderungen, wobei namentlich die Investitionsmöglichkeiten für die Versicherungsunternehmen gezielt erweitert wurden. Neu sind Investitionen in Private Debt, Senior Secured Loans und im Rohstoffbereich möglich. Anlagen im Infrastrukturbereich werden im Rundschreiben neu verankert. Zudem können neu auch Insurance Linked Securities sowie Goldbarren dem gebundenen Vermögen zugewiesen werden.
- Das FINMA-Rundschreiben 2016/XX „Versicherungsgruppen und –konglomerate“ führt vier bestehende Rundschreiben zusammen (2008/27 „Organisation Versicherungskonzerne“, 2008/28 „Struktur Versicherungskonzerne“, 2008/29 „Interne Geschäftsvorgänge Versicherungskonzerne“, 2008/31 „Versicherungskonzernbericht“) und integriert zusätzlich die Wegleitung „Unterstellung von Versicherungsunternehmen unter die Gruppen- oder Konglomeratsaufsicht“. Dieser Bereich wird so neu einheitlich reguliert. Das FINMA-Rundschreiben 2008/30 „Solvabilität I Versicherungskonzerne“ wird ganz aufgehoben.
- Das FINMA-Rundschreiben 2016/XX „Lebensversicherung“ fasst zwei bestehende Rundschreiben (2008/39 „Anteilgebundene Lebensversicherung“, 2008/40 „Lebensversicherung“) zusammen. Wesentliche Änderungen betreffen insbesondere Aspekte der Tarifierung, Anforderungen an das biometrische Risiko und die Tarifierungsmodelle und -grundlagen sowie den technischen Zinssatz.
- Einige weitere FINMA-Rundschreiben wurden in geringfügigerem Ausmass und redaktionell geändert.
Rundschreiben „SST-Erleichterungen“ läuft aus
Das auf drei Jahre befristete Rundschreiben zu den temporären Erleichterungen im Schweizer Solvenztest (2013/02 „SST-Erleichterungen“) läuft am 31. Dezember 2015 automatisch aus. Der Verwaltungsrat der FINMA hat entschieden, das Rundschreiben nicht zu verlängern oder zu ersetzen. Gewisse im Rundschreiben gewährte temporäre Erleichterungen übernimmt die FINMA aber permanent in das bestehende Rundschreiben 2008/44 „SST“. Sie betreffen das sogenannte Interventionsschwellenkonzept. Dieses definiert, wie und wie rasch die Unternehmen beim Unterschreiten bestimmter Schwellenwerte Massnahmen ergreifen müssen. Diese Anpassung gewährt den Unternehmen nicht mehr temporär, sondern dauerhaft längere Fristen, um die vorgeschriebenen Schwellenwerte wieder zu erreichen.
Die im Rundschreiben „SST-Erleichterungen“ temporär vorgesehene Möglichkeit, Versicherungsverpflichtungen mit einer risikobehafteten Zinskurve zu bewerten, läuft hingegen aus. Der Bundesrat sieht grundsätzlich eine risikolose Zinskurve für die Bewertung vor. Da aus heutiger Sicht auch lange andauernde Tiefzinsszenarien plausibel erscheinen, sind weitere temporäre Massnahmen in diesem Kontext nicht mehr zu rechtfertigen. Die Bedeutung dieser Massnahme hat sich seit ihrer Einführung kontinuierlich verringert. Sie bewirkte per 1. Januar 2015 im Gesamtmarkt nur noch eine Verbesserung der SST-Ratio um wenige Prozentpunkte. Zudem verbesserte sich die Solvenzsituation im Gesamtmarkt gegenüber 2013 auch auf nicht erleichterter Basis, obschon die Zinsen seit Einführung der temporären Erleichterungen weiter sanken. Grund dafür waren die Massnahmen der Versicherer, Risiken zu reduzieren und das Kapital zu stärken.
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