Coutts & Co AG hat aufgrund ungenügender Abklärungen von in der Schweiz gebuchten Geschäftsbeziehungen und Transaktionen im Umfeld des malaysischen Staatsfonds 1MDB schwer gegen die Geldwäschereibestimmungen verstossen. Die Eidgenössische Finanzmarktaufsicht FINMA zieht unrechtmässig erzielten Gewinn von 6,5 Millionen Franken ein. Die FINMA wird zudem die Eröffnung von Enforcementverfahren gegen die verantwortlichen Mitarbeitenden der Bank prüfen.
Die FINMA schloss im Januar 2017 ein seit Anfang 2016 laufendes Enforcementverfahren gegen Coutts & Co AG (Coutts) ab. Das Verfahren legte schwerwiegende Mängel in der Geldwäschereibekämpfung offen. Diese standen im Zusammenhang mit Geschäftsbeziehungen und Transaktionen im Umfeld der mutmasslichen Korruptionsaffäre rund um den malaysischen Staatsfonds 1MDB. Die Bank klärte die Hintergründe von ungewöhnlich hohen und risikobehafteten Transaktionen sowie von Geschäftsbeziehungen ungenügend ab. Zudem ging sie internen Hinweisen nicht nach und meldete den Schweizer Behörden trotz ausreichenden Indizien bis im Frühjahr 2015 keine Verdachtsmomente. Die Kontrollen der Bank im Bereich der Geldwäschereibekämpfung funktionierten in diesem Fall insgesamt ungenügend. Damit verstiess Coutts in schwerer Weise gegen die Anforderungen an die Gewähr für eine einwandfreie Geschäftstätigkeit.
Coutts war frühzeitig involviert
Gewisse Coutts-Mitarbeitende der Niederlassung in Singapur bahnten im Jahr 2003 Geschäftsbeziehungen mit Personen rund um den späteren Staatsfonds 1MDB an. Damit war Coutts mit ihrer Niederlassung in Singapur zeitlich die erste Schweizer Bank, die Vermögen aus diesem Umfeld entgegengenommen hatte. Nach dem Wechsel dieser Mitarbeitenden zu einer anderen Bank in Singapur im Jahr 2009 wurden die Geschäftsbeziehungen teilweise zu Coutts Zürich verlagert. Die auf den Schweizer Konten von Coutts überwiesenen Vermögenswerte im Zusammenhang mit 1MDB beliefen sich auf insgesamt 2,4 Milliarden US-Dollar.
Zweifelhafte Begründungen für Transaktionen nicht abgeklärt
Coutts eröffnete im Sommer 2009 in Zürich eine Geschäftsbeziehung mit einem jungen malaysischen Geschäftsmann. Entgegen den Angaben bei der Kontoeröffnung, wonach auf dem Konto Gelder von zehn Millionen US-Dollar aus dem Familienvermögen eingehen würden, überwies der malaysische Staatsfonds 1MDB im Herbst 2009 rund 700 Millionen US-Dollar auf das Konto. Die dafür gelieferten Erklärungen waren widersprüchlich und wurden teilweise nachträglich angepasst. Zudem wiesen die zur Plausibilisierung eingereichten Dokumente offensichtliche Fehler auf, insbesondere waren die Vertragsparteien vertauscht. Dazu hielt ein Compliance-Mitarbeiter in einer internen E-Mail fest: "It would be the first time in my career that I would see a case where [in] an agreement over the amount of USD 600 Mio. or so the role of the parties has been confused." Die Rechtsabteilung sprach sogar von der Gefahr einer "Totalfälschung". Die Bank klärte aber die Hintergründe dieser auffälligen Transaktion nicht mit der erforderlichen Sorgfalt ab.
Über das entsprechende Konto wurden anschliessend von Herbst 2009 bis Frühjahr 2013 zahlreiche Transaktionen mit erhöhten Risiken im Gesamtwert von 1,7 Milliarden US-Dollar abgewickelt. So wurde über eine halbe Milliarde US-Dollar aufgrund von undurchsichtigen Darlehensverträgen auf eine Sitzgesellschaft des Geschäftsmannes verschoben, wobei die Bank dies damit plausibilisierte, dass es sich um denselben wirtschaftlich Berechtigten handelte. Coutts klärte auch die Verwendung von 35 Millionen US-Dollar für den Besuch von Kasinos und den Bezug von Luxus-Dienstleistungen (Charter von Jachten und Privatflugzeugen) nicht näher ab.
Obwohl bei Coutts aufgrund des ungewöhnlichen Transaktionsverhaltens ab dem Jahr 2009 zahlreiche Verdachtsmomente vorlagen, eröffnete sie im Sommer 2012 eine weitere Geschäftsbeziehung für den malaysischen Geschäftsmann. Im Widerspruch zu den Angaben bei Kontoeröffnung erfolgte im März 2013 eine Überweisung von 380 Millionen US-Dollar von einer Offshore-Gesellschaft auf dieses Konto. In der Folge wurden weitere 300 Millionen US-Dollar überwiesen. Die erhaltenen Gelder wurden grösstenteils im Rahmen von Durchlauftransaktionen umgehend an eine weitere Sitzgesellschaft des Geschäftsmannes weitergeleitet. Trotz dieser offensichtlichen Verdachtsmomente hinterfragte die Bank die Transaktionen nicht ernsthaft und begnügte sich mit oberflächlichen Abklärungen.
Interne Warnungen ignoriert
Verschiedene Mitarbeitende der Bank äusserten gegenüber den Vorgesetzten oder der Compliance frühzeitig erhebliche Bedenken zur Geschäftsbeziehung mit dem malaysischen Geschäftsmann. So hielt die Person, die für die Kundenberatung dieses Geschäftsmanns in Singapur zuständig war, nach Medienberichten über den Kunden fest: „I feel very uncomfortable with this guy and the transactions that are going through the account. I think the management has to make a decision whether to keep this relationship.” Die Medienberichte lösten zwar bankinterne Nachforschungen und einen Austausch zwischen Coutts Singapur und dem Schweizer Hauptsitz aus, wobei auch die offensichtlich fehlerhaften Angaben des Kunden thematisiert wurden. Die Verantwortlichen gingen diesen klaren Hinweisen und Bedenken aber nicht weiter nach. Stattdessen wurde entschieden, die wirtschaftlich interessanten Geschäftsbeziehungen fortzuführen und die Transaktionen abzuwickeln. Noch im März 2012 wurde in einem bankinternen Gremium zur Geschäftsbeziehung mit dem malaysischen Geschäftsmann ausgeführt: "[X] is a key client who we are comfortable with the Source of Funds, Source of Income and activity performed on these accounts". Auch in den Jahren 2013 und 2014 thematisierten und hinterfragten verschiedene bankinterne Compliance-Gremien die Geschäftsbeziehung. Diese entschieden sich jedoch jeweils für deren Beibehaltung.
FINMA zieht 6,5 Millionen Franken Gewinn ein
Coutts machte im Sommer 2015 bekannt, dass sie ihre bewilligungspflichtige Tätigkeit in der Schweiz einstellen werde und hat zwischen Ende 2015 und anfangs 2016 einen Grossteil der Kundenvermögen an die Genfer Privatbank Union Bancaire Privée, UBP SA übertragen. Der Abwicklungsprozess der Bank ist inzwischen weit fortgeschritten und kann voraussichtlich in diesem Jahr abgeschlossen werden. Aufgrund dieser Ausgangslage verzichtet die FINMA im vorliegenden Fall auf organisatorische Massnahmen. Zur Wiederherstellung des ordnungsgemässen Zustandes zieht die FINMA aber den ungerechtfertigt erzielten Gewinn in der Höhe von 6,5 Millionen Franken ein. Die FINMA wird zudem die Eröffnung von Enforcementverfahren gegen die verantwortlichen Mitarbeitenden der Bank prüfen.
Zusammenarbeit mit anderen Behörden
Die beschriebenen Transaktionen sind zwischen Banken aus verschiedenen Ländern und über mehrere Kontinente und Finanzplätze hinweg getätigt worden. Für ihre Untersuchungen koordinierte sich die FINMA mit anderen Behörden, insbesondere mit der Finanzmarktaufsichtsbehörde in Singapur (Monetary Authority of Singapore MAS), die ihr Verfahren gegen Coutts bereits abgeschlossen hat. Da Coutts im relevanten Zeitraum zur britischen Royal Bank of Scotland Group gehörte, brachte die FINMA diesen Fall der für die Royal Bank of Scotland zuständigen britischen Aufsichtsbehörde FCA zur Kenntnis.
Geldwäschereiprävention hat Priorität für FINMA
Die FINMA hat im Kontext des Falls 1MDB bei verschiedenen Schweizer Banken Abklärungen durchgeführt. Neben dem Verfahren gegen Coutts eröffnete die FINMA gegen fünf weitere Banken ebenfalls Verfahren. Im Mai 2016 und im Oktober 2016 hat die FINMA bereits ihre Verfahren gegen die Bank BSI sowie gegen die Falcon Private Bank AG abgeschlossen.
Die Geldwäschereiprävention hat einen sehr hohen Stellenwert für die Tätigkeit der FINMA. Über die letzten Jahre erliess die FINMA durchschnittlich mehr als zehn sanktionierende Enforcementverfügungen pro Jahr in diesem Bereich. Dabei ergriff sie Massnahmen, welche von der Auflösung einer Bank über den Bewilligungsentzug einer Treuhandgesellschaft bis zu Gewinneinziehungen reichten. Bei Beaufsichtigten setzte sie zudem Anpassungen von Governance-Strukturen durch oder schränkte neue Geschäftstätigkeiten erheblich ein. Wegen schweren Verletzungen der Sorgfaltspflichten sprach die FINMA in den letzten fünf Jahren zudem sechs Berufsverbote gegen Bankmanager aus und eröffnete letztes Jahr Enforcementverfahren gegen sechs weitere Funktionsträger von Banken, vier davon im Zusammenhang mit dem Fall 1MDB.
Kontakt
Vinzenz Mathys, Mediensprecher, Tel. +41 (0)31 327 19 77, vinzenz.mathys@finma.ch