Die Änderungen für das Geschäft mit professionellen VN gemäss dem revidierten VAG und der revidierten AVO sollen dazu beitragen, dass die Regulierungs- und Aufsichtsintensität besser im Einklang mit dem Schutzbedürfnis der VN steht.
Bei professionellen VN ist davon auszugehen, dass diese beispielsweise die Solvenz und das Gegenparteirisiko vom Versicherungsunternehmen selbst einschätzen können und keinen gesetzlich verordneten Schutz durch ein gebundenes Vermögen gemäss Art. 17 VAG benötigen. Die möglichen Erleichterungen, die ein Versicherungsunternehmen in diesem Zusammenhang beantragen kann, sind im Art. 30a VAG festgelegt und beziehen sich unter anderem auf Organisationsfonds, den Sanierungsplan und gebundenes Vermögen. Das Versicherungsvertragsgesetz (VVG) führt auf, welche Personen als professionelle VN gelten.
Die möglichen Erleichterungen sind allerdings mit verschiedenen Pflichten verbunden. So müssen die Versicherungsunternehmen, die die Erleichterungen gemäss VAG in Anspruch nehmen, den Status von professionellen VN vor Vertragsabschluss klären und dokumentieren (Abklärungs- und Dokumentationspflicht). Zudem muss ein Versicherungsunternehmen, das professionelle VN versichert, diese darüber informieren, dass sie als professionelle VN gelten. Das Versicherungsunternehmen muss sie weiter über die damit zusammenhängenden Rechtsfolgen ins Bild setzen, namentlich wenn ihre Ansprüche nicht durch ein gebundenes Vermögen sichergestellt werden (Informationspflicht). Professionelle VN sind vor Vertragsabschluss zu informieren. Bei Verletzung dieser Informationspflicht gilt Art. 3a VVG sinngemäss.
Alle Erstversicherer können grundsätzlich für alle Versicherungszweige die Erleichterungen gemäss Art. 30a VAG beantragen. Ausgenommen ist das Geschäft mit professionellen VN, wenn daraus Ansprüche aus Pflichtversicherungen zugunsten nicht professioneller VN resultieren könnten. Bei der Versicherung von Risiken der beruflichen Vorsorge ist zudem in jedem Fall ein gebundenes Vermögen zu stellen.
Mit Inkrafttreten des revidierten VAG und der revidierten AVO am 1. Januar 2024 profitieren Versicherungsunternehmen nicht automatisch von den möglichen Erleichterungen beim Geschäft mit professionellen VN gemäss Art. 30a VAG. Versicherungsunternehmen, welche die Erleichterungen in Anspruch nehmen möchten, müssen dafür bei der FINMA einen Antrag stellen. Wenn die Prüfung des Antrags durch die FINMA positiv ausfällt, werden die Versicherungsunternehmen von der Einhaltung bestimmter gesetzlicher Anforderungen befreit.
Ein Antrag für die Erleichterungen gemäss Art. 30a VAG kann nur für das Neugeschäft gestellt werden bzw. durch Überführung bestehender Kunden über (Neu-)Abschlüsse oder Anpassungen der Verträge (vgl. Art. 111c Abs. 2 AVO). Dabei müssen die Abklärungs-, Dokumentations-, und Informationspflichten eingehalten werden. Einer allfälligen Vertragsänderung müssen die VN ausdrücklich zustimmen und die gesetzlichen Anforderungen sind einzuhalten. Bestehende Bestände an Versicherungsverträgen (ohne erfolgte vertragliche Mutationen) und das Run-Off-Geschäft sind von den Erleichterungen ausgenommen.
Daneben umfassen die AVO und AVO-FINMA auch spezifische Vorgaben für die Bildung und Bewirtschaftung der (Teil-)Bestände, die Versicherungsverträge mit professionellen VN enthalten.
Die Vorschriften im VAG und in der AVO betreffend Organisation und Risikomanagement sind auch für das Geschäft mit professionellen VN einzuhalten. Das Versicherungsunternehmen hat über eine Organisation, Prozesse, ein Risikomanagement und interne Kontrollmechanismen (IKS) zu verfügen, die angemessen sind, um das Geschäft mit professionellen VN risikoadäquat zu betreiben, managen und überwachen.
Die FINMA kontrolliert grundsätzlich jährlich oder bei speziellen Vorkommnissen die Einhaltung der Vorschriften betreffend das Geschäft mit professionellen VN. Dazu erhebt sie die notwendigen Informationen. Sie kann zusätzlich auch die Ergebnisse einer Kontrolle durch beauftragte Dritte nutzen.
Zur besseren Überwachung der Einhaltung der Vorschriften nimmt die FINMA bei ausgewählten Versicherungsunternehmen auch vertiefte Überprüfungen vor.
Das Inkrafttreten des revidierten Versicherungsaufsichtsgesetzes (VAG) und der revidierten Aufsichtsverordnung (AVO) bringt Anpassungen bei den Vorgaben für das Geschäft mit professionellen Versicherungsnehmerinnen und -nehmern (VN). Hier finden Sie die wichtigsten Informationen dazu.
Das Versicherungsunternehmen reicht der FINMA einen Antrag gemäss Art. 30a Abs. 1 VAG ein und gibt an, für welche Versicherungszweige und welche Kategorien von professionellen VN der Antrag gestellt wird. Eingereicht wird zudem ein Gesuch mit den Geschäftsplänen K (Art. 4 Abs. 2 Bst. k und Art. 5 Abs. 1 VAG) und allenfalls D (Art. 4 Abs. 2 Bst. d und Art. 5 Abs. 2 VAG). Die versicherungstechnischen Rückstellungen für die Versicherung professioneller VN, für die Erleichterungen nach Artikel 30a VAG in Anspruch genommen werden, müssen gesondert gebildet und bewirtschaftet werden. Sofern dies eine Anpassung des Geschäftsplanformulars D oder dessen technischer Beilage nötig macht, sind sie mit dem Antrag auf Erleichterungen vorzulegen. Andernfalls ist zu begründen, weswegen keine Anpassung notwendig ist.
Ein Versicherungsunternehmen kann Geschäfte sowohl mit professionellen als auch mit nicht professionellen VN betreiben. Die jeweiligen Geschäfte sind jedoch separat auszuweisen und es sind angemessene Vorkehrungen zu treffen, um die unterschiedlichen gesetzlichen Anforderungen stets zu erfüllen (vgl. Art. 4 Abs. 2 Bst. k VAG). Dies gilt auch für die Pflichtversicherungen gemäss Art. 30a Abs. 4 VAG. Die Angaben dazu sind auf Verlangen der FINMA und der Prüfgesellschaft jederzeit herauszugeben.
Die Versicherungsunternehmen können keine der in Art. 30a Abs. 1 VAG aufgeführten Erleichterungen betreffend professionelle VN in Anspruch nehmen, soweit es sich um Pflichtversicherungen handelt, aus denen vertragliche oder gesetzliche Ansprüche zugunsten nicht professioneller VN resultieren könnten (Art. 30a Abs. 4 VAG).
Art. 30a Abs. 2 VAG definiert nicht, welche Personen als professionelle VN gelten, sondern verweist auf Art. 98a Abs. 2 Bst. b-g VVG, ohne die Vorsorgeeinrichtungen und Einrichtungen der beruflichen Vorsorge (Bst. a) zu erwähnen. Die Kriterien zur Einstufung als professionelle VN nach VAG und nach VVG sind somit nicht gänzlich übereinstimmend.
Das Gesetz sieht gemäss Art. 30b und Art. 30c VAG die Information der VN und die Abklärungen zu ihrem Status jeweils "vor Vertragsabschluss" vor. Die Erleichterungen nach Art. 30a Abs. 1 VAG sind somit grundsätzlich für das Neugeschäft konzipiert. Es ist aber auch möglich, dass mit bestehenden Kundinnen und Kunden Verträge neu abgeschlossen werden bzw. kann diesen Kundinnen und Kunden, die als professionelle VN qualifizieren, ein neuer Vertrag offeriert werden. Im Rahmen des Offertprozesses sind die Informations- und Abklärungs- sowie Dokumentationspflichten betreffend professionelle VN zu erfüllen, da gemäss Art. 111c Abs. 2 AVO Erneuerungen oder wesentliche Anpassungen des Vertrages ebenfalls als Vertragsabschluss im Sinne von Art. 30b VAG gelten.
Der Umstand, dass Kunden und Kundinnen für bestimmte Aufgaben im Versicherungsbereich Brokerinnen und Broker beiziehen, kann das Versicherungsunternehmen berücksichtigen, so z.B. bei der Frage, ob Kundinnen und Kunden über ein ausreichendes Risikomanagement verfügen. Hier kann gemäss Art. 111c Abs. 1 AVO auch eine externe Person mit den Aufgaben betreut werden. Das Versicherungsunternehmen muss diesfalls die Rolle beigezogener Dritter bzw. der Brokerinnen und Broker entsprechend abklären und dokumentieren, um sicherzustellen, dass die Aufgabenallokation sauber erfolgt und die Kompetenzen auch gegeben sind. Die blosse Feststellung, dass ein Broker oder eine Brokerin beigezogen wird, genügt nicht.
Der Beizug von Dritten durch das Versicherungsunternehmen zur Erledigung der Abklärungs-, Dokumentations- und Informationspflichten ist somit möglich. Die Verantwortung für die korrekte Umsetzung bleibt aber vollumfänglich beim Versicherungsunternehmen. Sodann ist zu prüfen, inwieweit die Delegation solcher Pflichten ein genehmigungspflichtiges Outsourcing gemäss Art. 4 Abs. 2 Bst. j und Art. 5 Abs. 2 VAG darstellt.
Die Erwartung der FINMA ist, dass das Versicherungsunternehmen darauf vorbereitet ist und ohne Weiteres die entsprechend notwendigen Anpassungen vornehmen kann, um die Erfüllung der gesetzlichen Anforderungen sicherstellen zu können. Dem muss das Versicherungsunternehmen in der vertraglichen Abrede mit der Kundin und dem Kunden Rechnung tragen. Sodann sind die hierfür nötigen operativen Vorkehrungen zu treffen, um z.B. den Kunden in einen Bestand zu überführen, bei dem dieser wieder vom Bestehen eines gebundenen Vermögens profitiert. Wenn die Erleichterungen betreffend professionelle VN in Anspruch genommen werden, dann muss sichergestellt sein, dass der jeweilige Bestand keine Verträge umfasst, die dafür nicht qualifiziert sind (vgl. Art. 4 Abs. 2 Bst. k VAG und Art. 30a Abs. 3 und 4 VAG). Die Überprüfung des Status der VN bei einer Vertragserneuerung steht dabei im Vordergrund. Es gibt jedoch auch andere, ergänzende Möglichkeiten, die ebenfalls mit verhältnismässigem Aufwand umgesetzt werden können, um ein sachgerechtes Monitoring zu gewährleisten. Gelegenheit für die Durchführung einer Abklärung können Kundenkontakte über den Vertragsabschluss hinaus bieten, so z. B. für den Fall, dass die jeweiligen VN ohnehin periodisch bestimmte Angaben zu ihrer Geschäftstätigkeit zu liefern haben.
Einem Vertragsabschluss im Sinne von Art. 30b VAG wird gemäss Art. 111c Abs. 2 AVO auch jede wesentliche Anpassung des Vertrags gleichgestellt. Es geht insbesondere um Anpassungen bei den versicherten Risiken oder beim Leistungsumfang sowie der weiter zu beachtenden Elemente gemäss Art. 3 VVG, welche wesentliche Bestandteile des Versicherungsvertrags darstellen. Jede Veränderung in diesen Bereichen ist materiell und führt dazu, dass eine Überprüfung des Status der VN (erneut) vorzunehmen ist (siehe Art. 30b VAG).
Eine Captive reicht der FINMA ein Gesuch mit den Geschäftsplänen K (Art. 4 Abs. 2 Bst. k und Art. 5 Abs. 1 VAG) und allenfalls D (Art. 4 Abs. 2 Bst. d und Art. 5 Abs. 2 VAG) ein und gibt an, für welche Versicherungszweige Erleichterungen von der Aufsicht beantragt werden. Im Geschäftsplan-Formular K ist darzulegen, wie das Geschäft der konzerninternen Direkt- und Rückversicherung von einem allfälligen Drittgeschäft gemäss Art. 30d Abs. 3 VAG abgegrenzt wird und ob aus den abgeschlossenen Versicherungsverträgen Ansprüche aus Pflichtversicherungen zugunsten nicht professioneller Versicherungsnehmerinnen und -nehmer gemäss Art. 30d Abs. 4 VAG resultieren könnten. Im Geschäftsplan-Formular D ist darzulegen, wie die versicherungstechnischen Rückstellungen inkl. Segmentierung für die konzerninterne Direktversicherung, für die Artikel 30d Abs. 1 VAG zur Anwendung kommt, gebildet und bewirtschaftet werden. Erleichterungen gemäss Art. 30d VAG können erst nach genehmigter Geschäftsplanänderung K (und allenfalls D) angewendet werden. Die Abklärungs-, Dokumentations- und Informationspflichten gegenüber den Kundinnen und Kunden gemäss Art. 30b und 30c VAG gelten für die konzerninterne Direkt- und Rückversicherung nicht.
Ein Rückversicherungsunternehmen muss keine Bewilligung der FINMA einholen, um von den Erleichterungen unter dem VAG zu profitieren. Diese bestehen schon von Gesetzes wegen. Ein Rückversicherungsunternehmen, das lediglich die Rückversicherung (vgl. Art. 35 Abs. 1 VAG) betreibt, trifft keine der Pflichten nach Art. 30b und 30c VAG.
Eine Finanzintermediärin nach dem Bankengesetz (BankG) gemäss Art. 98a Abs. 2 Bst. b VVG bzw. ein Versicherungsunternehmen nach VAG gemäss Art. 98a Abs. 2 Bst. c VVG gilt als professionelle VN, wenn es sich um ein Institut handelt, das über die entsprechende Bewilligung nach den jeweiligen Finanzmarktgesetzen verfügt und von der FINMA beaufsichtigt wird. Wenn nun ein Institut in einer "Sandbox" ohne aufsichtsrechtliche Bewilligung tätig sein darf, dann wird es von der FINMA nicht beaufsichtigt. Damit in solchen Fällen die VN als professionell qualifiziert werden können, müssen diese entweder über ein professionelles Risikomanagement verfügen, oder die für professionelle VN vorgesehenen finanziellen Grössenkriterien erfüllen.
Das Gesetz sieht gemäss Art. 90a Abs. 1 und 2 VAG vor, dass ein Versicherungsunternehmen, das von den Erleichterungen im Geschäft mit professionellen VN profitieren möchte, dies der FINMA innert sechs Monaten nach Inkrafttreten des VAG melden muss. Bei dieser Frist handelt es sich um eine Ordnungsfrist. Sie zielt darauf ab, dass rasch Klarheit geschaffen wird, wer von den heute bereits tätigen Versicherungsunternehmen diese Erleichterungen in Anspruch nehmen will. Die FINMA wird auch nach Ablauf der Frist Gesuche um Erleichterungen betreffend das Geschäft mit professionellen VN entgegennehmen.