Innovation und Aufsicht 2019

Die FINMA reagierte mit der Ergänzung der Wegleitung zu Initial Coin Offerings auf die zahlreichen Projektanfragen zu Stable Coins. Derweil stösst auch die Fintech-Bewilligung auf Interesse.

Die Blockchain-Technologie beschäftigte die FINMA weiterhin intensiv, das Interesse an Initial Coin Offerings (ICOs) war unvermindert gross (52 Anfragen). Im Fokus standen zum einen vermehrt Projekte im Zusammenhang mit Stable Coins (Blockchain-­basierte Token, die an einen Vermögenswert angebunden sind), zum anderen verschiedenste Applikationen mit Schnittbereich zum Finanzmarkt, die auf Basis der Blockchain-Technologie betrieben werden. Ferner setzte sich die FINMA intensiv mit dem Projekt Libra und Anfragen rund um die neu in Kraft getretene Fintech-Bewilligung auseinander.

Fintech-Bewilligung

Am 1. Januar 2019 ist mit einer Änderung des Bankengesetzes die Fintech-Bewilligung entstanden. Diese neue Bewilligungskategorie ermöglicht es, Publikumseinlagen bis zu 100 Millionen Schweizer Franken entgegenzunehmen unter der Bedingung, dass diese Einlagen weder angelegt noch verzinst werden. Zudem können die Bewilligungsträger im Vergleich zur klassischen Bankenbewilligung von erleichterten Anforderungen profitieren, etwa hinsichtlich des notwendigen Kapitals oder der Kontrollfunktionen. Die neue Bewilligungskategorie stösst – auch international – auf Interesse, was regelmässig zu Anfragen bei der FINMA führt. Der Gross­teil der Anfragen an die FINMA kam von Gesellschaften, die Dienstleistungen im Zahlungs-, Wechsel- oder Verwahrungsdienstleistungsbereich anbieten und dazu Publikumseinlagen entgegennehmen wollen. Neben mehreren Vorgesprächen und angekündigten Gesuchen hat die FINMA bereits konkrete Gesuche für die Erteilung einer Fintech-Bewilligung erhalten. Die FINMA erwartet, dass sie die erste Fintech-Bewilligung im ersten Halbjahr 2020 erteilen wird.

Anfragen zu Blockchain-basierten ­Geschäftsmodellen

Im Februar 2018 hat die FINMA die Wegleitung für Unterstellungsanfragen betreffend ICO publiziert. Darin definiert die FINMA die Mindestangaben für ICO-Unterstellungsanfragen und hält fest, welche Prinzipien sie anwendet; zudem hat sie die verschiedenen Tokenarten klassifiziert. Inzwischen ist die Zahl Anfragen im Zusammenhang mit ICOs signifikant rückläufig. Dies ist einerseits darauf zurückzuführen, dass die Zahl der Projekte aufgrund der Marktentwicklungen abnimmt (Total 94 gegenüber 184 im Vorjahr). Andererseits hat die Wegleitung für Transparenz und Rechtssicherheit gesorgt. Es ist zu erkennen, dass der FINMA vermehrt Anfragen eingereicht werden, die neue und anspruchsvolle rechtliche Fragestellungen beinhalten.

Zunehmend lässt sich die Entwicklung von Geschäftstätigkeiten im Bereich der Distributed-­Ledger-Technologie (DLT) und der Effekten beobachten. Der Handel, die Verwahrung und die Abwicklung unterschiedlicher Tokenarten auf diversen Transaktionssystemen werfen anspruchsvolle Fragen auf. Bei einer Verwahrungs- und Abwicklungstätigkeit im Zusammenhang mit Effekten ist grundsätzlich die Frage nach einer möglichen Bewilligungspflicht als Zentralverwahrer nach Art. 61 Finanzmarktinfrastrukturgesetz ­(FinfraG) zu beantworten.

Im Zusammenhang mit den Initiativen, die DLT-­basierte Handels- und Nachhandelsdienstleistungen etablieren wollen, ist die FINMA mit einer Reihe von Initianten in Gesprächen. Die FINMA beurteilt dabei insbesondere, ob die geplanten Dienstleistungen in den Anwendungsbereich des FinfraG fallen. Obwohl dank neuen Technologien mehrere Infrastrukturdienstleistungen (Handel, Nachhandel) kombiniert werden können, sieht das FinfraG aus Risikoerwägungen gegenwärtig die Verteilung von Infrastrukturdienstleistungen auf mehrere Rechtseinheiten und Erlaubnisträger vor. Dies führt dazu, dass bei entsprechenden Vorhaben allenfalls mehrere unterschiedliche Bewilligungen zur Erbringung von Infrastrukturdienstleistungen beantragt werden müssen. Nicht zuletzt um den neuen technologischen Möglichkeiten Rechnung zu tragen, hat der Bundesrat mit dem Blockchain-Bericht und dem Regulierungsvorhaben zur Verbesserung der Rahmenbedingungen für Blockchain/DLT bereits einige Änderungs­vorschläge zu den Gesetzesbestimmungen vorgelegt. Insbesondere soll mit dem DLT-Handelssystem im FinfraG eine neue Bewilligungskategorie geschaffen werden für Einrichtungen, die Effektenhandel und -abwicklung sowie -verwahrung in einem einzigen Rechtsträger zusammenführen wollen.

Stable Coins

Die FINMA stellte im Berichtsjahr eine Zunahme von Projekten zur Schaffung sogenannter Stable Coins fest. Ziel solcher Projekte ist es, die bislang für Krypto-Zahlungs-Token (etwa Bitcoin oder Ether) typische Preisvolatilität zu begrenzen, indem der Token mit bestimmten Vermögenswerten (etwa Fiat-Währungen, Rohstoffen, Immobilien oder Effekten, siehe unten) verbunden wird. Der Token kann zum Beispiel einen Anspruch auf einen Franken, auf ein Gramm Gold, auf einen Anteil an einem Immobilienportfolio oder auf eine bestimmte Menge von einem Rohstoff vermitteln.

Die FINMA hat im September des Berichtsjahres eine Ergänzung zur Wegleitung für Unterstellungsanfragen betreffend ICO publiziert und darin Anhaltspunkte dazu gegeben, wie sie in ihrer Aufsichtspraxis Stable Coins nach Schweizer Aufsichtsrecht beurteilt. Auch bei der aufsichtsrechtlichen Behandlung von Stable Coins wendet die FINMA das Prinzip der Technologieneutralität an. Die FINMA richtet dabei den Fokus auf die wirtschaftliche Funktion und den Zweck eines Tokens (substance over form) und ­berücksichtigt sowohl die bewährten Wertungsentscheide (same risks, same rules) als auch die Besonderheiten im Einzelfall. Die FINMA hat in der Wegleitung die Stable Coins nach der Art des angebundenen Werts in Fallgruppen eingeteilt und eine indikative aufsichtsrechtliche Einordnung vorgenommen. Die Fallgruppen (Anbindung an Währungen, Rohstoffe, Immobilien und Effekten) haben gemeinsam, dass sie aufgrund der üblicherweise bezweckten Eigenschaft als Zahlungsmittel von Stable Coins nahezu immer dem Geldwäschereigesetz unterstellt sind. Je nach Fallgruppe ist zu prüfen, ob die vermittelten Ansprüche eine Qualifikation als bankenrechtliche Einlage oder kollektive Kapitalanlage zur Folge haben. Sofern statt eines Anspruches ein alternativer Stabilisierungsmechanismus besteht, können auch andere Finanzmarktgesetze, insbesondere das ­FinfraG beim Betrieb von Zahlungssystemen, einschlägig sein.

Die ergänzte ICO-Wegleitung wurde sowohl medial als auch in den verschiedenen internationalen Standardsetzungsgremien, in denen die FINMA mitwirkt, aufgegriffen und diskutiert. Die indikative regulatorische Einordnung von Stable Coins wurde in der Branche begrüsst.

Libra

Am 18. Juni 2019 publizierte Facebook erstmalig öffentliche Informationen zum Projekt Libra. Das Projekt weist durch den Sitz der Libra Association in Genf einen starken Bezug zur Schweiz auf. Die finanzmarktrechtliche Qualifikation sowie mögliche Anforderungen an Libra sind damit von grosser Tragweite für den Finanzplatz Schweiz sowie – bei Erfolg des Projekts – für den Schutz von Finanzmarktteilnehmern weltweit. Entsprechend aufmerksam wird das Projekt international verfolgt.

In der Medienmitteilung vom 11. September 2019 hat die FINMA bestätigt, dass die Libra Association die FINMA um eine Einschätzung zur regulatorischen Einordnung des Projekts nach Schweizer Aufsichtsrecht ersucht hat. Die FINMA hält darin fest, dass ein Projekt dieser Art nur mit einer finanzmarktrechtlichen Bewilligung, namentlich einer Bewilligung als Zahlungssystem gemäss FinfraG mit zusätzlichen Anforderungen, umgesetzt werden kann. Anforderungen für Zahlungssysteme in der Schweiz beruhen auf gängigen internationalen Standards, insbesondere auf den Principles for Financial Market Infrastructures (PFMI).

Die FINMA hielt in ihrer Medienmitteilung überdies fest, dass die geplante internationale Reichweite des Projekts ein international koordiniertes Vorgehen unabdingbar mache und die Definition von Anforderungen (etwa an die Bekämpfung der Geldwäscherei) international auszuarbeiten wäre.

Blockchain-Finanzdienstleister

Ende August 2019 erteilte die FINMA zum ersten Mal zwei Blockchain-Finanzdienstleistern je eine Bewilligung als Bank und als Effektenhändler. Wie üblich wurde die Aufnahme der Geschäftstätigkeit mit verschiedenen Bedingungen und Auflagen verknüpft, die einen geordneten Geschäftsaufbau sicherstellen sollen.


Bereits während des Bewilligungsverfahrens schenkte die FINMA unter anderem den kryptospezifischen Risiken besondere Aufmerksamkeit. Im Zusammenhang mit den operationellen Risiken mussten strenge Kriterien und Kontrollprozesse definiert werden. Im Hinblick auf die sichere Verwahrung von Token ­wurde, auch mit Unterstützung der zuständigen Be­willigungsprüfer, die Technologieinfrastruktur der beiden Antragsteller gründlich getestet, um die erhöhten Risiken bei Informationstechnologien (IT) und Cyberrisiken hinreichend zu adressieren. Das Geschäftsmodell der Blockchain-Finanzdienstleister macht zudem eine enge Zusammenarbeit mit externen, technischen Dienstleistern notwendig. Folglich galt auch den Outsourcingrisiken ein besonderes Augenmerk.

Zahlungsverkehr auf der Blockchain

Schliesslich bringt die der Blockchain-Technologie innewohnende Anonymität erhöhte Geldwäschereirisiken mit sich. In diesem Zusammenhang hält die FINMA mit der Veröffentlichung der Aufsichtsmitteilung 02/2019 «Zahlungsverkehr auf der Blockchain» fest, dass sie, im Sinn des Grundsatzes der Technologieneutralität, die geltenden Schweizer Vorschriften zur Übermittlung von Angaben im Zahlungsverkehr auch im Blockchain-Bereich anwendet. Mit Bezug auf die Anwendbarkeit der Vorschriften gegen die Geldwäscherei sind keine Erleichterungen gegenüber dem traditionellen Zahlungsverkehr vorgesehen. Diese etablierte Praxis gilt ausnahmslos und ist somit eine der strengsten weltweit.

Solange die geltenden Vorschriften nicht eingehalten werden können, weil auf der Blockchain noch kein System vorhanden ist, das die Übermittlung von Angaben im Zahlungsverkehr ermöglicht, gibt es immerhin Ausnahmen: So dürfen die von der FINMA beaufsichtigten Institute Kryptowährungen oder andere Token an externe Wallets ihrer eigenen, bereits identifizierten Kunden schicken und von solchen Kryptowährungen oder Token entgegennehmen.

Mitarbeit am Regulierungsvorhaben zur Verbesserung der Rahmenbedingungen für Blockchain und DLT

Der Bundesrat will mit Anpassungen im Bundesrecht die Rahmenbedingungen für Blockchain und für die Distributed Ledger Technology weiterentwickeln. Die ­FINMA arbeitet aktiv an diesem Regulierungsvor­haben mit. Dabei legt sie grossen Wert auf Technologieneutralität und Rechtssicherheit. Eine der Kernfragen in diesem Regulierungsvorhaben betrifft die Aussonderbarkeit von Kryptowährungen im Konkurs des Dienstleisters. Dies ist insofern relevant, als dass keine Publikumseinlage und damit keine Bewilligungspflicht nach dem Bankengesetz vorliegen, sofern ein Vermögenswert aus der Konkursmasse ausgesondert werden kann. Die FINMA hat ihre Position im Rahmen ihrer Stellungnahme zum Vernehmlassungsentwurf des Bundesrates kundgetan.

(Aus dem Jahresbericht 2019)

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