Decentralized Finance (DeFi)

Im Berichtsjahr richteten etliche Projekte Anfragen aus dem neuen Gebiet der «Decentralized Finance» an die FINMA. Unter diesem Begriff hat sich eine neuartige Form von offen zugänglichen Finanzdienstleistungen etabliert.

Die unter dem Kürzel «DeFi» bekannt gewordene Entwicklung steht im Zusammenhang mit zugangsoffenen, in Form von sogenannten Smart Contracts programmierbaren Blockchain-Systemen. DeFi tritt bisher insbesondere in der Form von sogenannten DeFi-Applikationen in Erscheinung, die Finanzmarktdienstleistungen, zum Beispiel den Handel von Token oder das Kreditgeschäft, ermöglichen. DeFi basiert weitgehend auf Peer-to-Peer-Modellen. Daher spielen traditionelle Intermediäre wie Banken oder Wertpapierhäuser grundsätzlich keine Rolle. Lässt sich eine Dienstleistung im Finanzmarkt als Computerprogramm realisieren, kann sie grundsätzlich auch als DeFi-Applikation umgesetzt werden. Anders als bei traditionellen Finanzmarktdienstleistungen gibt es bei echten DeFi-Applikationen keine einzeln bestimmbaren oder kontrollierenden Betreiber.

Bei der Bearbeitung der Anfragen geht es immer auch darum, Projekte ohne feststellbaren Betreiber von solchen abzugrenzen, die sich zwar selbst als DeFi bezeichnen, tatsächlich aber zentral organisiert und kontrolliert sind und damit traditionellen Finanzmarktintermediären ähneln. Solche Projekte fallen in den Geltungsbereich des Finanzmarktrechts. Die konkreten Anfragen an die FINMA betrafen Handelsplattformen, über die tokenisierte Effekten oder Kryptowährungen gehandelt werden können. Bei der Beantwortung der Anfragen ging die FINMA jeweils von folgenden Ansätzen aus:

  • Die FINMA wendet die bestehenden Regeln auch auf DeFi-Applikationen an und abstrahiert dabei von der Verwendung bestimmter Technologien oder Verfahren (Grundsatz der Technologieneutralität).
  • Bietet eine DeFi-Applikation dieselbe Dienstleistung und birgt sie dieselben Risiken wie Intermediäre im traditionellen Finanzmarkt, wendet die FINMA auch dieselben Regeln an (gleiches Risiko, gleiche Regeln).
  • Bietet eine DeFi-Applikation wirtschaftlich betrachtet eine finanzmarktrechtliche Tätigkeit an, die bewilligungspflichtig wäre, geht die FINMA auch bei neuartiger technischer oder rechtlicher Umsetzung von einer Bewilligungspflicht aus (wirtschaftliche Betrachtungsweise).

Erstmals Börse und Zentralverwahrer für Handel mit Token bewilligt

Am 10. September 2021 erteilte die FINMA zwei Bewilligungen zum Betrieb von Finanzmarktinfrastrukturen, die auf der sogenannten Distributed-Ledger-Technologie (DLT) basieren: die SIX Digital Exchange AG als Zentralverwahrerin und die damit verbundene SDX Trading AG als Börse. Damit verfügt der Schweizer Finanzplatz erstmals über Infrastrukturen, die den Handel von digitalisierten Effekten in Form von Token sowie deren integrierte Abwicklung erlauben. Die FINMA verfolgte dabei den Grundsatz der technologieneutralen Anwendung der geltenden finanzmarktrechtlichen Bestimmungen: «same risks, same rules».

Die Bewilligungen folgten dem traditionellen Bewilligungsmuster von Börse und Zentralverwahrer gemäss Finanzmarktinfrastrukturgesetz. Sie ermöglichen eine eng verzahnte Wertschöpfungskette von der Emission über den Handel und die Abwicklung bis hin zur Verwahrung von tokenisierten Vermögenswerten. Dabei erfolgt die Abwicklung brutto und unmittelbar nach der börslichen Ausführung. Eine Abrechnung (clearing) der abzuwickelnden Übertragungen durch eine zentrale Gegenpartei entfällt. Ausserdem werden mit der engen Verzahnung von Handel und Abwicklung die Börsengeschäfte erst dann rechtsverbindlich, wenn sie der Zentralverwahrer aus vorhandenen Beständen der Teilnehmer vollständig abgewickelt hat. Das Angebot der SDX richtet sich an beaufsichtigte Finanzinstitute.

(Aus dem Jahresbericht 2021)

Jahresbericht 2021

Zuletzt geändert: 05.04.2022 Grösse: 2.54  MB
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